Für LogopädInnen gehört es zum professionellen Handeln die – oftmals verschlüsselten oder schwer verständlichen – Zeichen ihrer Patienten wahrzunehmen und zu verstehen. Das gilt natürlich v.a. für die Patienten, die aufgrund von neurologischen Erkrankungen nur noch undeutlich artikulieren können und/oder diejenigen, deren Sprachproduktion durch phonologische oder semantische Entstellungen gekennzeichnet sind. Kommunikationsbemühungen werden dann zum Abenteuer, bei dem die beteiligten Gesprächspartner einen Slalomparcours durchlaufen müssen und oftmals nur ein Kreuzen gegen den Wind der Fehlversuche (siehe Artikel „kommunikatives Kreuzen-ein Horizont, der uns zum Träumen bringt“) zum Ziel der Verständigung führt. Dabei bedarf es von Seiten der TherapeutInnen einer gehörigen Portion Wachheit und gedanklicher Kreativität, um in fast detektivischer Manier das Gesagte zu entschlüsseln und sich langsam an die Intention heranzutasten. Trotz der Bemühungen von beiden Seiten gelingt es jedoch nicht immer, die gesendeten Signale zu verstehen und den Code zu knacken.

So erging es dem erstaunten Betrachter auch vor ein paar Tagen beim Blick auf den Innenhof des Kieler Schlosses (siehe Artikelbild). Was sollte dieses Zeichen bedeuten? Die möglichen Interpretationen waren schier unerschöpflich: Wollte da jemand ein X für ein U vormachen (oder umgekehrt)? War das eine Kieler Solidaritätsbekundung für den Protest im Wendland gegen den letzten Castortransport nach Gorleben (dort befinden sich ja bekanntlich überall gelbe Kreuze als Symbol des Widerstands)? Handelte es sich etwa um ein Fadenkreuz, das der NDR als Werbegag für den nächsten Kieler Tatort (Arbeitstitel: Borowski im Kreuzverhör) platziert hatte? Oder war es doch die nordeutsche Variation der englischen Kornkreise? Vielleicht sogar die Spuren wirklicher Außerirdischer? Oder war es -jahreszeitlich passend – ein Weihnachtsfan, der eine Vorliebe für die englische Sprache besitzt (merry X– Mas)?

Während der Beruf immer wieder Ursachenforschung verlangt und die permanente Beantwortung von Fragen abverlangt und bereits so viele Rätsel des Alltags entschlüsselt wurden (oder es nur so scheint als hätten sie sich entschlüsseln lassen?), genoss ich es in diesem Fall, diese Hypothesen im Raum stehen lassen zu können, lehnte mich zurück und betrachtete genussvoll das interessante geometrische Muster.

Veröffentlicht von Norbert Frantzen

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Beatrice Rathey Beantworten

    Welch vielfältige Assoziationen so ein einsames x auf einem Schlosshof hervorrufen kann…nice ‚crossing‘!

  2. Iris Loeper Beantworten

    Wie auch immer……Diese magischische Kreuz rettet mich auf garantiert vor dem traditionellen Glättessturz, danke Hausmeister

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