Wozu Mittagspausen  doch gut sind. Wie so häufig war die Wahl auf das Werkstattcafé gefallen: nicht nur wegen des immer wieder köstlichen, abwechslungsreichen und preiswerten Mittagstisches, sondern auch wegen des kleinen Gartens, in dem sich vortrefflich die Spätsommersonne genießen ließ. Das vorfreudigen Warten auf das Essen (laut Speisetafel sollte es jahreszeitlich entsprechend Zwiebelkuchen und Federweißer geben) ließ sich durch die Lektüre der Süddeutschen Zeitung angenehm verkürzen. In dieser Ausgabe (SZ Nr. 236 vom  Donnerstag, den 13.10.2011) hattte Werner Barth einen Artikel verfasst mit dem Titel „Rettet die Medizin vor der Ökonomie“. Darin nimmt er Bezug auf eine Veröffentlichung zweier Harvard Mediziner (Pamela Hartband und Jerome Groopman) im New England Journal of Medicine (Bd. 365, S.1372, 2011), in dem die beiden den zunehmenden „Wandel von individualisierter Fürsorge hin zu industrialisierter“ medizinischer Versorgung beklagen. Den kritischen Blick richteten die Autoren dabei v.a. auf die Entwicklungen in Krankenhäusern, in denen z.B. die Einordnung von Patienten in sogenannte Fallpauschalen eine angemessene Betrachtung des Einzelfalles und seiner individuellen Besonderheiten erschwert oder sogar unmöglich macht. Wenn man die Strömungen der letzten Jahre in der Logopädie verfolgt hat, muss festgestellt werden, dass diese Verschiebung auch längst die therapeutischen Berufe erreicht hat. Nicht nur angestellte Kolleginnen in Krankenhäusern und Rehabilitationseinrichtungen unterliegen dem Effizienzdenken, wenn z.B. die Verweilzeit insgesamt und die Dauer der einzelnen Therapien gekürzt werden, um den „Durchfluss“ an Behandlungen zu erhöhen. Auch niedergelassene Logopädinnen müssen (?) ihre Praxis als unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten „optimiertes Unternehmen“ begreifen, das „Qualitätskriterien“ einhält, um „Kundenbedürfnisse“ zu befriedigen. Da dieser Trend (der unbestritten auch positive Aspekte beinhaltet) nicht mehr umkehrbar zu sein scheint, ist es unerlässlich, sich immer wieder die Notwendigkeit individualisierter Therapie bewusst zu machen. Das kann jede einzelne tätige Logopädin umsetzen: durch die Nutzung geeigneter Reflexionsverfahren für ihr Handeln (Clinical Reasoning, Arbeitstypen nach Hansen etc.) und/oder indem man sich gegenüber Kostenträgern als Anwältin für Patienten versteht, die z.B. eine formalisierte Verordnungsmenge der Heilmittelrichtlinien ausgeschöpft haben und denen deshalb das Ende der Behandlung bevorsteht. Verantwortlich für das „in die Schranken weisen“ rein ökonomischer Perspektiven sind auf gesundheitspolitischer Ebene die Berufsverbände wie der dbl. Das kann nur gelingen, wenn bei allem Bemühen, die Berufsgruppe „am Markt zu etablieren“ auf dem es zunehmende Verteilungskämpfe um „knapper werdende Ressourcen“ gibt, auch immer wieder kritische Gegenpositionen vertreten werden, z.B. indem darauf hingewiesen wird, dass sich bestimmte Prozesse, die in einer Therapie stattfinden, nicht quantifizieren lassen. Das, was in der  Begegnung von Therapeutin und Patient geschieht, entzieht sich allzu häufig der zu einseitigen Betrachtung mit den verzerrenden Parametern  „effizientes Arbeiten“, „Evaluationsqoutcome“, Qualitätsmanagement“  o.ä. und ist  trotzdem (oder gerade deshalb!?) für die Beteiligten Sinn-stiftend, Zufriedenheit-schaffend, Lebensqualitäts-fördernd. Nicht zuletzt sind es die Logopädielehranstalten, die den Auszubildenden in der intensiven praktischen Ausbildung vor Ort das nötige Rüstzeug vermitteln müssen, damit sie später die unterschiedlichen Anforderungen geschickt jonglieren können und für die individuellen Besonderheiten jeder einzelnen Begegnung mit ihren Patienten sensibel zu bleiben.

Veröffentlicht von Norbert Frantzen

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Beatrice Rathey Beantworten

    Das ganze wird ein schwieriger und manchmal vielleicht auch frustrierender Balanceakt bleiben – um so wichtiger erscheint es mir, immer mal wieder innezuhalten und Verhaltensweisen, Prozesse, Kommunikation und Therapeut-Patient-Beziehungen zu reflektieren, um dem Ökonomie-Wahn(sinn) hier und da ein Schnippchen zu schlagen. Danke für die Anregungen!

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