Kinderspiel

Als junge Frau, nach dem Abitur, verbrachte ich einige Zeit auf den Philippinen, wo ich mehrere Monate an einem wunderschönen Strand leben durfte. Da ich für die dortigen Kinder als – anders aussehende – Ausländerin einen ungewohnten Anblick bot, war ich oft von ihnen umringt und sie machten Späße mit mir (und wahrscheinlich auch über mich) und ich ließ mir von ihnen Alltagswörter der Sprache der dortigen Region beibringen. Was mich damals besonders faszinierte, war, dass die Kinder oft Stunden lang mit Dingen spielten, die sie am Strand fanden: Kleine Zweige, verrostete Dosen, Steine et cetera. Bei den meisten konnte ich davon ausgehen, dass sie zu Hause auch nicht wirklich mehr Spielzeug hatten. Manchmal geht mir dieses Bild durch den Kopf, wenn ich hier in Deutschland Kinderzimmer sehe, die mit Spielzeug mehr als überfüllt sind. – Kürzlich hatte ich die Gelegenheit, einem fünfjährigen Jungen beim Spielen in einem Café zuzusehen. Ich war fasziniert, was er im Spiel mit einer kleinen Serie von Kakteen in Töpfen und ein paar grünen Deko-Früchten an Geschichten hervor zauberte. Die Kakteen hatten alle, entsprechend ihrer äußeren Charakteristik, Namen bekommen, den Deko-Früchten wurden Persönlichkeiten zugeordnet. Alle diese ,Beteiligten‘ waren über mehr als eine 3/4 Stunde in Handlungen eingebunden, die von intensivem Dialog begleitet wurden, orchestriert vom spielenden Jungen. Als Logopädin (und Mensch) machte es mich glücklich, dies zu sehen. Es gibt sie nämlich noch, die Kinder, die sich nur durch das, was da ist, inspirieren lassen und in die Welt der eigenen Phantasie eintauchen. Mir erscheint es wichtig, dass wir als Eltern, Großeltern, Onkel, Tanten, Erzieherinnen und Erzieher und Therapeuten dies ermöglichen und nicht dem Irrtum erliegen, unsere Kinder, Enkel, Nichten, Neffen und sonst anvertrauten Kinder einem ,Dauerbeschuss‘ von Entertainment auszusetzen. Natürlich spricht nichts gegen Spielzeug und auch der Umgang mit Medien ist selbstverständlich wichtig, aber die Fähigkeit zu fördern, sich auch hin und wieder mit sich selbst und dem zu beschäftigen, was sich gerade anbietet, so einfach es sein mag, erscheint mir auch sehr wichtig, nicht nur, um Sprache kreativ zu nutzen und das Geschichtenerzählen zu erproben, sondern für die Persönlichkeitsentwicklung.

Veröffentlicht von Beatrice Rathey-Pötzke

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