Die Schotten und die Logopädie

In den letzten Wochen ließen die Medien wieder alle möglichen Vorurteile über Schottland und seine Bewohner aufleben: da war die Rede von den roten Haaren, den Rock tragenden Männern, dem Whiskey und natürlich dem Dudelsack. Grund für das mediale Interesse war bekanntermaßen das Referendum, in dem die Schotten darüber abgestimmt haben, ob sie sich von Großbritannien lösen sollen oder nicht. (Das Ergebnis der Abstimmung darf als bekannt vorausgesetzt werden.)

Was das mit Logopädie zu tun hat?

Es ist denkbar, dass sich die leichtbekleideten schottischen Herren häufiger erkälten und in der Folge die immer wieder angekratzte Stimme dauerhaft geschädigt wird und deshalb ein Besuch beim speech therapist erforderlich wird. (Wahrscheinlicher ist jedoch, dass Selbsttherapieversuche mit Whiskey gemacht werden, wobei zum Erfolg dieser Maßnahmen keine verlässlichen Zahlen vorliegen). Denkbar ist ein Zusammenhang zu unserer Disziplin ebenfalls hinsichtlich der positiven Wirkung des Dudelsackspiels auf die Atmung. Aber diese mehr oder weniger naheliegenden Aspekte spielen hier keine Rolle.

Anlass dieses Artikels ist tatsächlich die oben erwähnte Abstimmung und die gefällte Entscheidung, sich nicht aus dem großen Ganzen zu lösen. Denn bei den LogopädInnen gibt es auch eine Gruppe, die Separierungswünsche hegt, da sie sich vom Deutschen Bundesverband für Logopädie (dbl) nicht mehr angemessen vertreten fühlt. Am 29. November 2014 soll es deswegen die Gründungsversammlung für eine Vereinigung geben, die sich „Logo Deutschland – Interessengemeinschaft selbständiger LogopädInnnen und SprachtherapeutInnen“ nennt. Wie der Name der Vereinigung schon verrät geht es um die größte Gruppe der LogopädInnen, den FreiberuflerInnen, die in eigener Praxis tätig sind. Die zentrale Forderung von Logo Deutschland ist sicherlich erst einmal richtig, wenn eine Anhebung der Vergütungen verlangt wird, da logopädische Leistungen immer noch nicht angemessen entlohnt werden.

Es stellt sich jedoch die Frage, wie sinnvoll es ist die ohnehin verhältnismäßig kleine Berufsgruppe noch weiter aufzuspalten. Denn im großen Wirtschaftszweig Gesundheitswesen ist es nur dann möglich, sich im Konzert der vielen Leistungsanbieter Gehör zu verschaffen, wenn eine Berufsgruppe geschlossen ihre Interessen vertritt. Die in Deutschland ohnehin schon zergliederte Landschaft aus verschiedenen Berufen, die für Sparch-, Sprech-, Stimmstörungen  zuständig sind (Logopäden, Sprachheiltherapeuten, Atemtherapeten, Klinischen Linguisten uvm.), braucht nicht noch eine weitere Auffächerung. Sinnvoller wäre eher eine Bündelung von Energien und eine konstruktive Zusammenarbeit bei der nicht nur berufständische Partikularinteressen vertreten werden dürfen, sondern sich auch der Gesamtverantwortung für das ganze System der Gesundheitsversorgung gestellt werden muss.  Nur dann kann es auf Dauer gelingen, darauf aufmerksam zu machen,  wie gravierend es für unsere betroffenen Patienten ist, mit ihren Verständlichkeits- und Kommunikationsproblemen zu leben. Und wie wertvoll (nicht nur ideell, sondern auch finanziell) dementsprechend sprachtherapeutische Behandlungen sind, wenn sie dabei mitwirkt, die Teilhabe zu verbessern und die Lebensqualität zu erhöhen.

persönliche Bemerkung: Trotz grundsätzlicher Sympathie für Autonomiebestrebungen, so wünsche ich mir in diesem konkreten Fall, dass die Gründungsversammlung nicht so gut besucht sein wird, sondern der dbl weiterhin der zentrale Berufsverband bleibt, der alle LogopädInnen vertritt, seien es Angestellte, LehrlogopädInnen und auch FreiberuflerInnen.

Veröffentlicht von Norbert Frantzen

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

    • Wolfram Beantworten

      Das ist natürlich die eine Sichtweise. Die andere ist sicherlich die, das Selbstständige und deren Mitarbeiter auch einmal etwas mehr Geld hätten. Die Situation für Freiberufler ist schon seit einigen Jahren immer schwieriger geworden. Die Ursachen sind vielschichtig. Die Hintergründe könnten im DBL-Diskussionsforum nachgelesen werden. Wenn ?, wenn nicht die Foren gesperrt und gelöscht worden wären. Das geschah auf Anordnung des Bundesvorstandes. Mit dem Verstoss gegen die Netiquette hatte das nicht zu tun. Wenn langjährige Mitglieder nach 20, 30, 40 Jahren den Verband verlassen, sind die Probleme schon tiefgehender als oben beschrieben. Damit sich jede/er seine eigene Meinung machen kann, müsste die Diskussion öffentlich geführt werden. Das wurde vom Bundesvorstand des DBL verhindert.

      • Norbert Frantzen Beantworten

        Es sind sich bestimmt alle einig, dass logopädische Leistungen (wie auch viele andere Tätigkeiten im Gesundheitswesen) nicht angemessen entlohnt werden. Der dbl hat meiner Meinung nach in den letzten Jahren versucht dieses Problem anzugehen, indem er sich zukunftsorientiert für eine Anhebung der Ausbildung einsetzt. Man kann sicherlich geteilter Meinung sein, ob diese Strategie der Akademisierung erfolgreich sein wird (v.a. in Bezug auf die damit verbundene Anhebung der Bezahlung logopädischer Arbeit). Auf jeden Fall wird es noch länger dauern und die jetzt tätigen LogopädInnen werden davon wahrscheinlich nicht zeitnah profitieren. Dieses Ziel wird aus meiner Sicht aber auch nicht erreicht, wenn es zu einer weiteren Aufspaltung in engagierte Einzelgruppierungen kommt. Denn wer von den Entscheidungsträgern hört auf eine so kleine Gruppe, wenn es selbst großen Berufsverbänden (z.B. Physiotherapeuten) und Tarifpartnern wie den Gewerkschaften (für das Pflegepersonal) nicht gelingt, dafür ein offenes Ohr zu finden, dass wertvolle Arbeit entsprechend entlohnt wird.
        Deswegen kann unsere Berufsgruppe von dem Ergebnis der Schotten lernen. Aber so wie es in diesem Land jetzt darum gehen wird, dass die verschiedenen Lager ins Gespräch kommen, so helfen den Logopäden auch keine gegenseitigen Schuldzuweisungen, sondern – und an dem Punkt stimme ich Ihnen zu – nur die Diskussion.

Schreiben Sie einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert