Rechte Hirnhälfte – linke Hirnhälfte

Vielen Menschen ist es bewusst: Unsere Körperhälften werden jeweils von der gegenüber liegenden Gehirnhälfte gesteuert. Und die beiden Gehirmhälften haben darüber hinaus sehr unterschiedliche Aufgaben. Für Logopäden ist das ein interessantes Thema, denn Sprache entsteht natürlich im Gehirn und zu wissen, was da genau passiert, ist für die Entwicklung von Therapieansätzen und den Umgang mit Patienten elementar. Trotzdem bleibt das, was Patienten zum Beispiel bei einem Schlaganfall tatsächlich erleben, für die Ärzte und Therapeuten eine andere Welt. Durch Bild gebende Verfahren wie z. B. die Positronenemissionstomographie wissen wir zunehmend mehr, was in bestimmten Situationen in unserem Gehirn passiert, aber die meisten Fragen sind noch offen. Von daher bietet das 2008 auf Deutsch erschienene Buch einer Neurowissenschaftlerin, die selbst einen  Schlaganfall aufgrund einer schweren Hirnblutung erlitt, ungewöhnliche Einblicke. Das Faszinierende daran ist, dass die Autorin Jill Taylor  – trotz der tiefgreifenden Erschütterungen ihrer Wahrnehmung und ihres Seins beim Auftreten der Hirnblutung und in den Tagen danach – aufgrund ihres umfangreichen Wissens über das Gehirn und ihrer wissenschaftlichen Beobachtungshaltung fast Übermenschliches leistete: Sie blieb Beobachterin und Analytikerin der sich verändernden Vorgänge in ihrem Körper und ihrer fast verschwindenden Denkfähigkeit. Daher konnte sie diese (viel) später aufschreiben. Diese in manchen Bereichen akribische Beschreibung innerer Vorgänge beim Erleiden eines Schlaganfalls ist äußerst ungewöhnlich und überaus aufschlussreich und sicher ‚unerhört‘. Sie kann  Ärzten, Therapeuten und allen Menschen, die mit Schlaganfallpatienten zu tun haben, vielleicht ein etwas besseres Hineinfinden- und Fühlen in die Situation dieser Menschen ermöglichen. Die Autorin war selbst trotz ihrer guten Kenntnisse über das Gehirn fasziniert vom eigenen Erleben der (fehlenden) Hirnfunktionen. Die Tatsache, dass ihre linke Hirnhälfte in großen Teilen binnen kurzer Zeit ausfiel und die rechte daher in ihrer Funktion dominierte, führte zu erstaunlichen Erkenntnissen. Eine Lektüre, die spannend ist, zu denken gibt und vielleicht ein wenig besser verstehen lässt, was im (Gehirn des) Menschen vor sich geht.

Empfehlenswert für Personen, die mit neurologisch erkrankten Menschen arbeiten oder leben – oder das Gehirn spannend finden.

Taylor, J. (2008) Mit einem Schlag. Knaur, München

Veröffentlicht von Beatrice Rathey-Pötzke

Schreiben Sie einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert